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Staatliches Bauamt: „Wenn eine Umgehung, dann nur im Westen.“

Veröffentlicht am 18.07.2012 in Presse

Ein Onlinebericht von Johannes Michel http://nachrichtenamort.de/

FFH-Gebiet? SPA? Nie gehört? Vor bald zehn Jahren wurden europaweit Flächen nach der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (FFH) und „Special-Protectet-Areas“ (SPA), so genannte europäische Vogelschutzgebiete, ausgewiesen. Viele dieser Flächen liegen auch in der Region und beschäftigen immer wieder Gemeinden und Bürger. So zuletzt im Gemeindegebiet von Zapfendorf, wo sich die Bahnstrecke entlang eines FFH-Gebietes bewegt. Auch in Baunach und Reckendorf werden FFH und SPA nun rege diskutiert – im Rahmen der Planungen für eine Umgehungsstraße.

Mitten durch Baunach und Reckendorf führt die Bundesstraße B279. Auf ihr fahren zurzeit täglich etwa 9.300 Fahrzeuge nördlich und 13.300 Fahrzeuge südlich von Baunach und sorgen für eine erhebliche Verkehrsbelastung, besonders in den engen Bereichen innerorts. Seit Jahrzehnten besteht der Wunsch, eine Umgehungsstraße zu erhalten. Schon der Bedarfsplan für Verkehrswege enthielt Anfang der 1990er Jahre eine Umgehung für Baunach und Reckendorf, entsprechende Flächennutzungs- und Landschaftspläne wurden von den Kommunen aufgestellt. Im Fokus stand damals eine östliche Umgehung von Baunach und Reckendorf. Nach der Ausweisung der FFH- und SPA-Gebiete im Jahr 2004 würde eine solche nach heutigem Stand erheblich in die Naturschutzflächen eingreifen, und wird damit immer unwahrscheinlicher. Insbesondere deshalb, weil sich eine Alternative bietet: Die Westumfahrung.

Nachdem im Jahr 2015 wieder ein neuer Bedarfsplan für Fernstraßen aufgestellt wird, arbeiten die Planer im Staatlichen Bauamt Bamberg verstärkt an Entwürfen für eine solche Umgehung. Andreas Eisgruber, stellvertretender Leiter des Bauamtes und Planer Norbert Schmitt stellten sich daher bei einer Informationsveranstaltung in der Aula der Baunacher Schule am 17. Juli 2012 den Fragen des Stadtrates und des Reckendorfer Gemeinderates und gingen auch auf Fragen der Bürger ein.

Etwa 300 interessierte Bürger waren in die Aula der Verbandsschule gekommen.

Osttrasse unwahrscheinlich, da es in Sachen Naturschutz eine bessere Lösung gibt

„Wir haben einen gewissen Planungsstand erreicht und wollen jetzt auf Sie zugehen“, sagte Andreas Eisgruber und stellte zunächst die Entwicklung der Planungen für eine Umgehung vor, die 1985 begannen. Entscheidend sei heute die FFH- und SPA-Verträglichkeitsprüfung aus dem Jahr 2008. Das Ergebnis: „Die Osttrasse beeinträchtigt den Gebietsschutz erheblich, darunter Flachlandmähwiesen, prioritären Auwald und den Lebensraum des Ameisenbläulings. Die Westtrasse hingegen stellt aus Sicht des Gebietsschutzes die weitaus bessere Alternative dar. Dort wird nur ein FFH-Gebiet beeinträchtigt, mit entsprechenden Maßnahmen aber unterhalb der Erheblichkeitsschwelle. Dafür ist die Westtrasse aber wesentlich teurer.“

Und zwar fast doppelt so teuer. Während für die Ostumgehung etwa 28 Millionen Euro zu veranschlagen wären, würde eine Westumgehung 45 Millionen Euro kosten. „In der Diskussion mit dem Bundesministerium für Verkehr hat sich gezeigt, dass die Westtrasse dennoch als wirtschaftlich angesehen wird und eine zumutbare Alternative mit weit geringeren Beeinträchtigungen darstellt. Aus heutiger Sicht ist daher die Osttrasse nicht zulassungsfähig, da eine konkrete Alternative existiert – die Westumgehung. Wenn eine Umgehung gebaut wird, dann nur im Westen.“

Andreas Eisgruber (rechts) erläuterte die Planungs-Historie.

Kämen Baunach und Reckendorf im Westen ohne Lärmschutz aus?

Planer Norbert Schmitt ging anschließend auf die Verkehrsbelastung in Baunach und Reckendorf ein. Gegenüber dem Jahr 2005 ergab die Verkehrszählung aus 2010 einen Rückgang des Verkehrs, die Zahlen der Verkehrsprognose, die mittlerweile zwölf Jahre alt ist, wurden sogar deutlich unterschritten. In der Berechnung zeigte sich die Variante West als am effektivsten, da hier auch Verkehr der Staatsstraße 2277 (Richtung Appendorf) aufgenommen werden kann. „Das Problem der Westtrasse ist aber die Steigung von sechs Prozent vom Main den Hang hinauf“, so Schmitt. Die Straßenbreite der Umgehung läge bei 10,5 Metern auf einer Länge von 9,9 Kilometern (Westlösung). „Während bei der Ostumgehung Lärmschutzmaßnahmen notwendig wären, und zwar 250 Meter in Baunach und 750 Meter in Reckendorf, käme die Westumgehung ohne jeglichen Lärmschutz aus.“ Diese Aussage führte zu Raunen im Publikum.

Wichtig für die Stadt Baunach und die Gemeinde Reckendorf sei es nun, die Weichenstellung zu vollziehen, um in den Bedarfsplan 2015 aufgenommen zu werden. „Dazu müssen die Gemeinden eine konkrete Linie anmelden“, sagte Schmitt – also entweder die Ost- oder die Westtrasse oder den Ausbau und die Sanierung der bestehenden innerörtlichen Straße. „Einige Brückensanierungen wurden hier aufgrund der noch ausstehenden Umgehungsentscheidungen bisher zurückgestellt.“

Anhang von Planentwürfen zeigten die Vertreter des Bauamts die Streckenführungen.

Stadtrat: „Haben Sie auch mal an die Menschen gedacht?“

In der anschließenden Diskussion zeigten sich Stadt- und Gemeinderäte, Bürgermeister und anwesende Bürger unzufrieden mit der Westtrasse. Axel Schmidt, Stadtrat für die Christliche Bürgerschaft Baunach (CBB): „Wir haben in der Regel Westwind, wodurch Krach und Abgase in die Stadt hineinziehen.“ Außerdem sei gar nicht garantiert, dass die EU mit ihren Vorschriften in 20 Jahren noch existiere. Andreas Eisgruber antwortete pragmatisch: „Wir können nur das Essen essen, das auf dem Tisch steht. Entscheidungen müssen daher immer von den heutigen Rahmenbedingungen ausgehen. Wenn Sie sich für die Osttrasse entscheiden, müssten wir die Planung zurückstellen.“

Stadtrat Peter Krauß (CBB): „Haben Sie auch mal an die Menschen gedacht, die betroffen sind – und nicht nur an die FFH-Flächen?“ Eisgruber: „Jede Umgehungslösung wird immer Menschen betreffen, wir als Straßenbauer müssen uns aber an gewisse Spielregeln halten, und diesbezüglich sind die europarechtlichen Vorschriften maßgebend.“ Keinen Hehl machte Eisgruber aber daraus, dass dem Bauamt aus Straßenbausicht die Osttrasse ebenfalls lieber wäre, da sie neben der Kostenersparnis auch deutlich einfacher zu bauen sei. Reckendorfs Bürgermeister Klaus Etterer wollte wissen: „Gibt es Fälle, in denen für den Bau durch FFH- und SPA-Gebiete von der Europäischen Union eine Ausnahme erteilt wurde? Wann kann man mit einer Realisierung einer Westtrasse rechnen?“ Eisgruber: „Es gibt Entscheidungen, an denen die EU schon im Vorfeld beteiligt wurde, das sind allerdings nicht viele, in der Regel Autobahnen. Sollte die Strecke in die Bedarfsplanung 2015 kommen, erfolgen die technische Planung und das Planfeststellungsverfahren. Baubeginn wäre daher frühestens zum Ende des Jahrzehnts, wenn alles günstig verläuft.“

Stadtrat Baunach und Gemeinderat Reckendorf müssen weiter diskutieren

Peter Großkopf, Stadtrat der SPD in Baunach, konnte sich die Strecke im Westen ohne Lärmschutzmaßnahmen nicht vorstellen, schließlich reiche sie bis auf weniger als 100 Meter an Baunach und Reckendorf heran. Stadtrat Hubert Dietz (CSU) sah auch die positiven Aspekte einer Westumgehung, eine Realisierung stehe aber unter gewissen Bedingungen, etwa der Anbindung des Neubaugebietes rund um die Hemmerleinsleite. Ein weiteres Thema der Diskussion war auch die Einschränkung für die Entwicklungsfähigkeit von Baunach und Reckendorf durch eine Westumgehung, da sich dort mehrere Neubaugebiete befinden. „Welches Grundstück wie betroffen sein wird, steht noch nicht fest, die Planung ist noch nicht baureif. Über eine Verrückung der Straße in gewissen Grenzen können wir daher noch sprechen“, erläuterte Norbert Schmitt.

Zum Abschluss der Veranstaltung konnten die Bürger Fragen stellen. Auch bei ihnen wird die Westtrasse kritisch gesehen. Die Entscheidung über die Aufnahme einer der beiden Umgehungslösungen in den Bedarfsplan müssen Stadt- und Gemeinderat in nächster Zeit treffen. Sollte keine Umgehung genügend Unterstützer finden, könnte der Antrag auf Ausbau der bestehenden Bundesstraße gestellt werden.

 

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